Von der Ästhetik des Vertrauten

Ein interdisziplinärer Ansatz in Zeiten digitaler Konstruktion

Studierende der Studiengänge Maschinenbau an der Technischen Hochschule Nürnberg und der Komposition an der Hochschule für Musik Nürnberg untersuchten gemeinsam, ob sich die Güte einer Konstruktion durch Übersetzung in Klänge bewerten lässt.

Das Abschlusskonzert des Projekts im Orchestersaal der Hochschule für Musik Nürnberg im Januar 2020 (Fotos: Lukas Pürmayr)

Geübte Köch*innen erkennen am Klang, ob eine Melone reif ist. Findige Automechaniker*innen hören am Rattern des Motors, ob er rundläuft. Und Dirigent*innen mit perfektem Gehör können selbst bei 200 Orchestermusiker*innen jeden individuellen Fehler heraushören. Doch lässt sich eine Fehleranalyse mithilfe des Klangs auch auf den Maschinen- und Anlagenbau, und zwar bereits im Entwurfsstadium, übertragen – und so die Güte von Konstruktionen bewerten? Und wenn ja, welche Eigenschaften zeichnen den Klang einer Konstruktion aus? Diesen Fragen widmete sich ein interdisziplinäres Team aus Studierenden des Studiengangs Maschinenbau an der Technischen Hochschule Nürnberg und Studierenden des Studiengangs Komposition an der Hochschule für Musik Nürnberg über zwei Semester hinweg.

Nach einer vorausgehenden fachinternen Analyse verknüpften die Studierenden der unterschiedlichen Fachrichtungen ihre Erkenntnisse miteinander und eröffneten sich so gegenseitig neue Perspektiven auf Darstellungsweisen, technische Zusammenhänge und auch künstlerische Ausdrucksformen. Ihr interdisziplinärer Ansatz verband technische Bewertung und musikalische Darstellung: Die bereits in der Frühphase einer Konstruktion vorhandenen Produktinformationen wurden in elektronische Resonanzklänge übersetzt. Die akustischen Resultate, so vermuteten die Studierenden, könnten Aufschluss über die Qualität der Konstruktion geben.

Konstruktion trifft Komposition

Was gerade die akustische Resonanzfähigkeit zu einem geeigneten Mittel für die Bewertung maschineller Konstruktionen macht? Sie bietet neben der visuellen Einschätzung eine weitere Bewertungsebene. Es macht Sinn, sich nicht ausschließlich auf eine rein visuelle Einschätzung zu verlassen – eine akustische Prüfung kann auf Fehler aufmerksam machen, die bei einer visuellen Bewertung möglicherweise nicht auffielen. Sonifikation, das ist die Darstellung von Daten in Klängen, besitzt das Potenzial, komplexe Zusammenhänge verdichtet und regelbasiert darstellen zu können. Die hierfür gemeinsam entwickelten digitalen Werkzeuge nutzten Studierende der Hochschule für Musik wiederum, um rein musikalische Studien zu komponieren. Die Konstruktionspläne der Servomotoren inspirierten sie zu ihren grafischen Partituren, die vom eigenen Computerprogramm sonifiziert wurden.

Aufgrund der hohen Komplexität des Unterfangens entschieden sich die Studierenden der beiden Hochschulen, die Zwischenergebnisse ihrer Kooperation in einem Abschlusskonzert im Januar 2020 an der Hochschule für Musik Nürnberg zu präsentieren. Ziel war es dabei, die Synthese aus Technik und Musik auch für fachfremde Besucher*innen verständlich zu demonstrieren. Unter dem Titel „Klassische Kammermusik zwischen Servomotoren und Elektronik stellten sie den Bezug zwischen instrumentalen und elektronischen Musikstücken auf der einen Seite sowie Motorengeräuschen auf der anderen Seite her. Zur Aufführung kamen dabei diverse Sonifikationen: sowohl akustische Darstellungen der Bewegungen von Konstruktionsbauteilen, wie etwa eine Hirth-Verzahnung, als auch Eigenkompositionen einzelner Studierender, die durch die interdisziplinäre Arbeit innerhalb des Projekts entstanden waren. So wurde den Konzertbesucher*innen deutlich, dass es auch jenseits normativer Gütekriterien einen individuellen, sinnlichen Zugang zur eigenen Bewertung von Sonifikationen geben kann.

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