Studierendenseminar mit Vera Tollmann: Space / Agency – Motive, Praktiken und Zustände der Immersion

Doomscrolling in der Timeline, Filmrezeption im IMAX oder hypnotische Bilderströme in einem Multimedia-Environment: Das Projektseminar „Space / Agency – Motive, Praktiken und Zustände der Immersion“ beschäftigt sich mit Immersion als Wahrnehmungstechnik und richtet sich an Studierende der Technischen Hochschule Nürnberg, der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg und der Hochschule für Musik Nürnberg.

Inhalt des Seminars

Die subjektive Empfindung, in eine (multi-)mediale Umgebung hineingezogen und absorbiert zu werden, kann mit Zerstreuung, Empathie und Erkenntnissen verbunden, aber auch als Vereinnahmung, Kontrolle und Manipulation gewertet werden. Im Seminar werden immersive Environments erprobt, Anwendungsbeispiele aus unterschiedlichen Disziplinen diskutiert und die ambivalenten Methoden und Strategien der Immersion analysiert. 

Zu den klassischen künstlerischen Materialien der Immersion gehören Wasser, Dampf und Licht oder illusionistische Techniken wie Unschärfe, zu den neueren zählen Virtual Reality, virtuelle Räume, Videokonferenzen, Gaming oder Social Media. Die für die Immersion notwendige Präsenz wird in diesen Technologien „synthetisch“ vermittelt. 

Welche Effekte nehmen wir bewusst wahr, was bleibt unsichtbar im Code?

Welche neuen Beziehungen entstehen hier zwischen Menschen, Bildern und Maschinen? 

Der Grad des Eintauchens hängt nicht notwendigerweise, aber üblicherweise von der verwendeten Technologie ab: Zwar ist „Doomscrolling“ eine Art des Informationskonsums, der sich etwa von der Interaktion beim Gaming in einer VR-Umgebung unterscheidet, und doch ist der immersive Effekt vergleichbar. Auch unterscheiden sich die technologischen Umgebungen fundamental voneinander: eine Social-Media-Timeline hebt sich ab von den Plänen des „Metaverse“, die Mark Zuckerberg zuletzt vorgestellt hat. Mit VR-Technologien wird ein neues Paradigma des Sehens eingeführt. Der Körper der Agierenden verschwindet im 360-Grad-Bildraum, obwohl er das immersive Zentrum bildet – die Projektion wird auf ihre Position und Bewegungen abgestimmt.

Wie taucht (umgekehrt) die Technologie in unseren Alltag und unsere Körper ein, und welche Schlüsse lassen sich aus diesem Umstand ziehen? Kann das Datensammeln durch Sensoren in unseren Mobiltelefonen auch als Immersion verstanden werden? Wie können wir uns mit dem reziproken Eintauchen von Technologien in unsere Umgebungen auseinandersetzen, wenn es mit menschlicher Sensorik nicht wahrnehmbar ist? Wie sind invasive Mikrokameras der Medizin in diesem Kontext zu verstehen? Oder Walkie-Talkies, die auf einen Backenzahn passen? Was bedeutet es, wenn Raumfahrtagenturen mittels VR-Technologie Satelliten reparieren, Kosmos und Erde visualisieren oder Astronaut*innen trainieren?

Die im Sommersemester entstehenden Einzel- und Gruppenprojekte werden als Abschluss des Seminars im Oktober 2022 in der Akademie Galerie als Gruppenausstellung präsentiert. Im Rahmen des Projekts sind Geldmittel zur Umsetzung wissenschaftlicher, technischer und künstlerischer Arbeiten vorhanden. In Verbindung mit dem Projektseminar bietet LEONARDO praxisorientierte Workshops an, in denen immersive Technologien aktiv genutzt und ihre Möglichkeiten erkundet werden können.

Termine

Blockseminar in Präsenz am 6.5. von 14 bis 18 Uhr bei LEONARDO

Zoom-Sitzungen am 13.5. und 27.5., jeweils von 10 bis 12 Uhr

Blockseminar in Präsenz am 10.6. von 14 bis 18 Uhr 

Zoom-Sitzungen am 24.6. und 8.7., jeweils von 10-12 Uhr

Blockseminar in Präsenz Ende August / Anfang September (26.8. oder 2.9.), 10 bis 13 Uhr und 14:30 bis 17:30 Uhr

(Die Termine sind vorläufig, einzelne Tage und Uhrzeiten können sich noch ändern.)

Anmeldung

Interessierte können sich bis zum 30. April per Mail an leonardo@leonardo-zentrum.de mit einer kurzen Erläuterung zu ihrem fachlichen Hintergrund anmelden und warum sie an einer Teilnahme interessiert sind.

Über Vera Tollmann

Dr. Vera Tollmann ist seit Oktober 2021 Gastwissenschaftlerin an der Leuphana Universität, war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim am Institut für Theater, Medien und populäre Kultur (2019-2022) und an der Universität der Künste, Berlin (2015-2017) in der Klasse von Hito Steyerl. Nach ihrem Studium der Kulturwissenschaften hatte sie verschiedene Jobs als redaktionelle oder kuratorische Assistenz bei dem Wiener Magazin Springerin – Hefte für Gegenwartskunst, bei der Kulturstiftung des Bundes in Halle an der Saale, dem Medienkunstfestival transmediale und der documenta 12. Zusammen mit Merle Radtke hat sie die Ausstellung „Sensing Scale“ (Kunsthalle Münster, 2021) kuratiert. 2020 promovierte sie zum Thema „Sicht von oben. Powers of Ten und Bildpolitiken der Vertikalität“ an der Hochschule der Bildenden Künste in Hamburg, eine überarbeitete Fassung erscheint 2022 bei Spector Books.