Extrem laut und unglaublich nah

Die Theater waren monatelang geschlossen, das nahezu magische Live-Erlebnis eines Theaterbesuchs, die Gemeinschaft mit anderen Zuschauer*innen, in der man neue Erfahrungen macht, nahezu vergessen. Nach Monaten des „Cultural Distancing“ fand ein Projekt im öffentlichen Raum statt, um die Sichtbarkeit von Kunst und Kultur wieder zu erhöhen. Basierend auf dem Roman „Extrem laut und unglaublich nah“ von Jonathan Safran Foer wurde eine interaktive Theaterperformance entwickelt, die im September und Oktober 2021 an verschiedenen Stationen zwischen Opernhaus und Bärenschanze in Nürnberg aufgeführt wurde.

Im Rahmen dieses Projekts kommt es zum Schulterschluss verschiedener Institutionen und Einzelkünstler*innen: Mit den freien Produktionshäusern Theater Salz+Pfeffer und Gostner Hoftheater sowie PLUS, der theaterpädagogischen Abteilung des Staatstheaters Nürnberg, bringen sich federführend drei Einrichtungen ein, die sehr verschiedene Ansätze und Expertisen verfolgen. Durch die Kooperation mit LEONARDO wurden die Nürnberger Hochschulen eingebunden und dem Projekt eine digitale Komponente hinzugefügt. Hier arbeiten Prof. Anselm Dalferth, Professor an der Hochschule für Musik gemeinsam mit Prof. Dr. Timo Götzelmann, Professor für Human Computer Interaction an der Technischen Hochschule Nürnberg, gemeinsam an einer Umsetzung für die sogenannten „Audiowalks“, die die Wege zwischen den drei Theatern verbinden und durch eine digitale Außeninszenierung erweitern. Durch die Beteiligung der Tanzwerkstatt Nürnberg fließen choreografische Elemente ein. Zudem konnten verschiedene Künstler*innen aus der Region gewonnen werden, wie Jutta Richter-Haaser, Lena Scheerer, Sarah Schwerda, Marco Steeger und Mohamad Ali Zobaydi.

„Danke für einen außergewöhnlichen, spannenden, berührenden und schönen Theaterabend. Mehr davon.“

Aus dem Feedback an das Team von „Extrem laut und unglaublich nah“

Inhaltliche Grundlage für die Produktion bildet der Roman „Extrem laut und unglaublich nah“ von Jonathan Safran Foer: Der 9-jährige Oskar hat bei den Anschlägen auf das World Trade Center seinen Vater verloren. Da dieser ihn immer auf „Erkundungsexpeditionen“ schickte, glaubt er, der Schlüssel, den er in den Sachen seines Vaters findet, sei ein letzter Hinweis. Also begibt Oskar sich trotz all seiner Ängste auf eine Reise durch ein verändertes New York, trifft auf Menschen, die ihre Geschichten von Angst und Verlust mit ihm teilen, und findet schließlich Zuversicht und einen Weg, sein verändertes Leben weiterzuführen.

Nicht nur jährt sich „9/11“ im September zum zwanzigsten Mal, die Anschläge rüttelten auch immens am gesellschaftlichen Selbstverständnis. Sie waren ein einschneidendes Erlebnis, die das globale Miteinander nachhaltig beeinflussten und für immer veränderten. Eine ähnliche Zäsur stellt derzeit die Pandemie dar: Sichergeglaubte Lebenskonzepte und gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten werden durcheinandergebracht, wie man es sich zuvor nicht hätte vorstellen können. Ausgehend von Foers Roman setzt das Theaterstück sich mit der Frage auseinander, wie man weiterlebt, wenn sich durch ein Ereignis das scheinbar Unerschütterliche verändert und nichts mehr so sein wird, wie es war. Wie kann das Leben weitergehen?

Die Produktion spielt in und um die Theaterhäuser – so macht sich das Publikum gemeinsam mit Oskar auf den Weg durch die Stadtteile Tafelhof und Gostenhof und erlebt dort eine Vielfalt an Formen und Spielarten: Theater verbindet sich mit Film- und Hörspielsequenzen, Schauspiel, Tanz und Figurenspiel vereinen sich zu einem Theatererlebnis, jugendlichen Laien agieren neben langjährigen Profis, Kunst arbeitet mit Wissenschaft, Staatstheater verbündet sich mit freier Szene.

Dem Vorhaben zugrunde liegt der Wunsch, Kunst und Kultur in die breitere Wahrnehmung der Stadtbewohner*innen (zurück) zu bringen. Während Theater sich normalerweise vom Alltagsbereich abschottet, in einem geschlossenen Raum stattfindet und dort neue Welten öffnet, soll hier die Wechselwirkung zwischen Kunst und Alltag untersucht werden, indem die Aufführung in den öffentlichen Raum wandert. Dies ermöglicht einen neuen Blick auf die Stadt und bricht das klassische Verständnis von Theater auf. In Auseinandersetzung mit den Stadtteilen Tafelhof und Gostenhof wird der Blick auf die Stadtgesellschaft geschärft: Wie hat sich die Welt durch Corona geändert? Wie unser Verhalten? Und wie finden wir trotz aller Ängste und Verluste zu einer (neuen) Normalität?

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