Orca Songs

Grafik Orca Songs

Dass Wale singen, wurde (nach anekdotischen Berichten von Walfängern über dieses Phänomen seit Ende des 19. Jahrhunderts) als Nebeneffekt der Unterwasser-Lauschtechniken des Kalten Krieges durch Tonaufzeichnungen dokumentiert und ab Ende der 1960er Jahre bioakustisch untersucht. Vor allem der Gesang der Buckelwale löste nach Veröffentlichung auf Schallplatte durch einen der an der wissenschaftlichen Forschung beteiligten Biologen, Roger Payne, einen öffentlichen Bewusstseinsbildungsprozess aus, der neben der millionenfachen Verbreitung der Buckelwal-Langspielplatte auch die zunehmende Beschränkung und schließlich das weltweite Verbot des kommerziellen Walfangs mit sich brachte. Während Buckelwale und einige andere Bartenwal-Arten inzwischen musikalisch gut untersucht sind, ist die musikalische und musikwissenschaftliche Befassung mit Orcas bisher eher die Ausnahme geblieben. Orcas, die aufgrund ihres Jad- und Ernährungsverhaltens eine zentrale Rolle in der Ökologie der Weltmeere spielen, hängt zudem in der öffentlichen Wahrnehmung (in dieser Hinsicht eher Haien als anderen Delphinen vergleichbar) immer noch das bedrohliche Image des „Killerwals“ an.

Orcas verfügen aber, wie andere Wal- und Delphinarten, über ein hochentwickeltes akustisches Kommunikationsverhalten. Dieses erlaubt die Unterscheidung von lokalen Dialekten, die Identifikation von Individuen und die Einstufung als Kultur (Erlernen, Weitergeben und Weiterentwickeln von gruppenspezifischen Kommunikationsmustern). Diese Klangkulturen von Orcas und ihre umgebenden Soundscapes sind durch menschliche Lärmverschmutzung akut bedroht und machen gleichzeitig einen wesentlichen Bestandteil des Lebens unter Wasser (SDG 14) aus. (Vgl. https://www.bmz.de/de/agenda-2030/sdg-14)

Orca-Vokalisationen werden in der bisherigen Forschung teilweise als Rufe (calls), teilweise als Gesänge (songs) charakterisiert und befinden sich damit in einem Übergangsfeld von Sprache und Musik, das interdisziplinär u. a. von Bioakustik, Musikwissenschaften, Human-Animal Studies und Informatik beforscht wird. Maschinelles Lernen über (durch Langzeitprojekte wie das Orchive vorhandene) große Datenmengen von Orca-Vokalisationen und deren Verknüpfung mit anderen Daten (Diktatnotizen und handschriftliche Aufzeichnungen von Forscher*innen, Sichtungsvermerke von individuellen Orcas und Orca-Verbänden) ermöglichen neue Forschungserkenntnisse und die Schaffung virtueller Forschungsumgebungen, die interdisziplinär nutzbar sind. Gleichzeitig bietet die Verknüpfung, Visualisierung und Hörbarmachung von Orca-Gesängen und -Rufen ganz neue Möglichkeiten des Wissenstransfers in die Gesellschaft, der Wissenschaftskommunikation und der Adressierung von Zielgruppen wie Schüler*innen, bis hin zur Citizen Science.

Ein bereits von einer Projektgruppe von Masterstudierenden der TH Nürnberg unter Leitung von Prof. Dr. Riedhammer erstellter Prototyp einer solchen virtuellen Forschungsumgebung („Orca-Browser“) wird in einem weiteren Iterationsschritt für die interdisziplinäre Forschung weiterentwickelt und parallel dazu für die Wissenschaftsvermittlung in die allgemeine Öffentlichkeit, einschließlich Schulen, modifiziert. Gleichzeitig werden die Klangaufzeichnungen der Orca-Vokalisationen und der Orca-Browser für ein künstlerisches Projekt der beteiligten Musikstudierenden erschlossen, dass sich zwischen immersiver Soundinstallation und musikalischer Live-Performance bewegen kann.

Das Projekt führt außerdem zu einer Erweiterung des bestehenden interdisziplinären Netzwerks und der Vorbereitung eines Drittmittelantrags für ein weiterführendes Forschungsvorhaben in diesem Themenbereich, das ab 2023 geplant ist.

Projektbeteiligte:

  • Dr. Lisa Herrmann-Fertig

    Hochschule für Musik, Projektleitung

  • Prof. Dr. Martin Ullrich

    Hochschule für Musik, Projektleitung

  • Prof. Dr.-Ing. Korbinian Riedhammer

    Technische Hochschule Nürnberg, Projektleitung

  • Prof. Dr. Sebastian Trump

    Hochschule für Musik, Projektleitung

  • Tim Groß

    Hochschule für Musik

  • Thomas Kreidel

    Hochschule für Musik

  • Fabian Model

    Hochschule für Musik

  • Luis Spangel

    Hochschule für Musik

  • Magdalena Steinbauer

    Hochschule für Musik

  • Thilo Stute

    Hochschule für Musik